Er hat sie nicht erfunden, aber doch literarisch erfolgreich weiterentwickelt: Boccaccio greift die Parabel vom listenreichen Sultan und dem tiefgründigen jüdischen Geldgeber auf und bettet sie in sein Decamerone ein. Drei Söhne - symbolisch für die Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam stehend - werden von ihrem Vater gleichermaßen geliebt und erhalten daher gleiche Kopien des Rings, der seine Nachfolge regeln soll. Lessing hat das Thema in seinem "Nathan" aufgegriffen - es gilt heute als eines der Hauptwerke der Aufklärung. Und: die Parabel hat nichts an Aktualität verloren in einer von Migration geprägten Welt - und in einer Welt der Pandemie, wie wir sie heute erleben und wie sie für Boccaccio den Rahmen seines Decamerone bildet.
Prof. Dr. K.-J. Kuschel ist Germanist und Theologe, engagiert im interreligiösen Dialog. Mit ihm gemeinsam waren wir 2019 in Ägypten auf den Spuren von Sadat und Helmut Schmidt, die in einer Nacht auf einem Schiff auf dem Nil sich eingehend über die Religionen unterhalten haben. Wie Schmidt später meinte: eine der eindrucksvollsten Gespräche, die er je geführt hat.